Kontakt Icon

Ultracycling ist ein Lifestyle, in dem Radsport den Alltag bestimmt, es jedoch um mehr als nur Fahrrad fahren geht. Es geht darum Projekte zu organisieren, Sponsoren zu gewinnen, Teams zusammenzustellen, Leute zu begeistern, durchzuhalten und noch viel mehr. Grundsätzlich steht der Radsport in den Medien nicht im Vordergrund und wenn man es im Ultracycling zu etwas bringen möchte, kann man nicht darauf warten, als Talent entdeckt zu werden. Radsport ist wie das moderne Gladiatorentum. Es ist wie ein Zirkus. Die Probleme der Sportler sind Luxusprobleme.

Dieser Film erzählt eine Geschichte des jungen Extrem-Radsportlers Fritz Geers. Er erklärt die Höhen und Tiefen einer jungen Radsport-Karriere, zeigt Bilder von Ultracycling-Rennen in ganz Europa und enthält einige Zitate, die der Radsport schreibt. Eines davon ist: "Die Erfahrungen die wir mit den Jahren sammeln, sind die Steine auf denen wir unser Lebenswerk aufbauen."

Fritz Geers fährt 2016 zum deutschen Meistertitel im 24h Solo Mountainbiken und stellt den Rekord des jüngsten Finishers beim 14.500 Höhenmeter Race across the Alps auf. Er durchlebt eine schwierige Zeit, in der es sportlich nicht gut läuft. Anschließend findet sich das Team um den jungen Extrem-Sportler neu und es geht beim Race across Germany darum, den Grundstein für den nächsten Schritt in der sportlichen Karriere zu legen.

Race across Germany 2017

Was bewegt und motiviert Menschen im Leben gegen viele Widerstände kämpfend, wieder und wieder für die Erreichung von Zielen zu kämpfen? Im Ultracycling sagt man, dass der umfällt, der im Leben und auf dem Rad still steht. Nicht umzufallen - Darum ging es vor dem Race across Germany fast ein Jahr lang. Rennen wurden abgebrochen, Projekte wurden nicht erfolgreich beendet und Krankheitsphasen, abgesagte Sponsorings und wackelnder Rückhalt in vielen Bereichen forderten Fokussierung, Mut und Motivation immer weiter zu machen. Rückblickend war es eine harte Zeit, in der jedoch Glaube, Konsequenz und Durchhaltevermögen stets vorhanden waren. Die harte Arbeit, das viele Training und der investierte Mut haben sich gelohnt.

Am Donnerstag den 29. Juni war das Konzept zum Projekt parat und abrufbereit, wie ein Schweizer Uhrwerk, an dessen hunderten Einzelteilen seit Jahren optimiert, verbessert und investiert wurde. Wie als würde dieses gerade seine Arbeit aufnehmen, begann die Reise nach Flensburg. Das Wetter war schlechter als gedacht, der Zeitplan nicht einzuhalten und die Stimmung noch am Tiefpunkt der folgenden Tage. Davon ließ sich dennoch keiner beunruhigen, denn Zuversicht, Ruhe und Geduld waren die Worte, auf die das Team eingeschworen war. Auch wenn es ein junges, unerfahrenes und zurückhaltendes Team war, es hielt am Konzept fest und dieses war sehr gut durchdacht, lange entwickelt und präzise vermittelt.

Der Weg zum Start am Freitag Morgen um 08:26 Uhr passierte im Dauerregen, jedoch nahezu reibungslos und wohl wissend, dass der der sich an Regen stört, nicht weit kommen würde. 30 Starter starteten, keinem einzigen wurde ernsthafte Beachtung geschenkt, jedoch einem jedem bei Begegnung viel Erfolg und Durchhaltevermögen. Die dritte Flüssignahrung kam in Rennstunde zwei zusammen mit einem Schub Galle aus dem Magen hoch und verschwand irgendwo so, dass es keiner mitbekommen konnte, denn das Team ließ sich etwaige Missgeschicke auch nicht anmerken.

Das Team wusste gar nicht, wie gut es seine Aufgabe bis dahin schon gemacht hatte und so wurde überall weiter nach Optimierung gesucht, bis diese gefunden war. Bis zum Harzrand lief es nahezu nonstop top. Der zeitweise viele Verkehr, Regen und Wind änderten daran gar nichts. Bei Gifhorn ging es mit einer Starkregenfront, überdurchschnittlich schlechten Straßen und angeschalteten Lupine Lampen in die erste Nacht. Dem vielen Wind, Regen und der nahenden Kälte wurde keine Beachtung geschenkt. Das Team hatte alles im Griff, sodass selbst der Ausfall vom Ersteinsatz von Betreuerin Pauline auf dem Rad gar nicht mitbekommen wurde, ein erstes Müdigkeitstief einfach aufgelöst wurde und Kilometer 500 bei Marke erreicht war.

Dort standen Nachts um zwei Uhr einige den Liveticker eifrig lesende Menschen am Straßenrand und feuerten am heimischen Anstieg an. Das Team freute sich über milde Gaben, wie warme Würstchen, Kaffee und Schokobrötchen. Wie geplant verließ Betreuerin Marieke das Begleitfahrzeug, um auch in der Uni ausgeschlafen Klausuren schreiben zu können. Ungeplant und unkommuniziert blieb der Ausstieg von Pauline, sodass das Team nur noch zu dritt den Tritt durch die vielen kleinen steilen Anstiege des Eichsfelds vorantrieb.

Spät in der Nacht musste der erste 30-Sekunden Powernap her, über welchen sich im Nachhinein wie ein Rohrspatz aufgeregt wurde, weil sich der Schlaf wie 40 Sekunden anfühlte. Das Team kompensierte die Misstat mit Ersteinsatz von Ballermann-Musik, sodass in die längeren Anstiege des zweiten Morgens hinein gefeiert wurde. Die Teambekleidung von Protective schützte alle auch am zweiten Tag vor viel Regen, wenig Sonne und wiederum viel Wind.

Am Morgen lief es zäher, denn Knieprobleme kündigten sich an und das Streckenprofil besaß hier die meisten Höhenmeter. Die Schmerzen im Knie waren anschließend kaum noch ertragbar. An das Team wurde der Wunsch nach Schmerzmitteln durchgegeben, von Maik W. eingepackte Schmerzmittel lagen bereit und eine schwere Entscheidung musste her. Schmerzmittel, Ja oder Nein oder Abbruch? Die Entscheidung fiel gegen die Schmerzmittel, denn ein jeder Sportler sollte sich in solchen Momenten fragen, wo Doping anfängt: Doping fängt bei einer Schmerztablette an und so musste eine simple Salbe am Knie den Kopf daran glauben lassen, dass es besser geht.

Tritt um Tritt ging es zwar langsamer, dennoch ohne Rast und Ruh im konsequenten Tempo weiter über Anstiege bei Kassel hinein nach Bayern. Sport funktioniert auch ohne Schmerzmittel. 628 Kilometer waren trotz der harten Bedingungen und ersten Problemen innerhalb der ersten 24 Stunden zurückgelegt und gegen Mittag hörte es auf zu regnen. Regnete es nicht, ging es Berg auf, ging es Berg ab, herrschte nunmehr sehr starker Gegenwind, wurde es zunehmend wieder flacher, ging es mehrere Stunden auf einer viel befahrenen Bundesstraße gegen den Wind weiter. Diese verlassen dröhnte der Schädel und halluzinierte Geisterfahrer. Das schwerste Stück im ganzen Rennen. Ruhe musste her und ein klarer Kopf. Ein klarer Kopf und Ruhe mussten her. Eins zwei, drei, vier. Wo bin ich? Überall Autos, schimpfende Luxuskarossen, hupender Schwerlastverkehr.

Es musste weiter gehen, denn ein super Team musste bei Kilometer 775 durch einen weisen, ausgeschlafenen, alten Freund ergänzt werden. Vor Kitzingen flossen erste Tränen, weil dass Wiedersehen fast erreicht war. Artjom stand am Streckenrand bereit, angereist mit der Bahn, im Gepäck einen Einkauf für das Team und viel mehr nicht. Die Zeit für eine kleine Schlachtrede durfte genommen werden und es lief wieder rund. Artjom fand schnell ins Team und das sowieso schon feiernde Begleitfahrzeug fuhr nunmehr fast nur noch mit Musik, offener Seitentür und Gelächter in den Abend.

Artjom hatte auch Wind von der Seite hinten rechts mitgebracht, Maik W. seine Laufschuhe an den Anstiegen angezogen, Henning der seit zig Stunden Funk, Kamera und mehr gleichzeitig betreute konnte endlich schlafen und Maik C. lachte nur noch. Präzise wurde zwischen den Rädern gewechselt, wo nötig. Stündlich wurden Baustellen mit dem Rad durchquert und vom Begleitfahrzeug umfahren.

Mit 'Licht am Fahrrad, Licht am Fahrrad – Dynamo' ging es in die zweite Nacht, die noch einmal hart werden musste. In vollen Zügen schlug ab Mitternacht die Müdigkeit zu und wurde wieder und wieder abgewehrt. Kurz darauf folgten erneut starke Knieprobleme. Die Nahrung konnte nur noch im Stand eingenommen werden. Nach jedem kurzen Stopp musste das rechte Bein von einem Betreuer über das Rad gehoben werden. Die ersten Tritte waren schmerzhaft, die Kälte zog in die Nacht, es begann wieder zu regnen und ging oft steil Berg auf. Hier, mitten in der Nacht mit starken Schmerzen auf dem Rad war der Weg zum Ziel gar nicht mehr so lang und dennoch verschob sich die Ankunftszeit Stunde um Stunde weiter nach hinten. Das Knie bremste.

Der CEECOACH Funk sorgte für tolle Stimmung, trotz der Probleme. Ein wahres Geschenk in diesem Moment. Die Nacht wurde wieder zum Tag und der Kilometerstand sagte noch 90 Kilometer bis zum Ziel. Ein Sturz wurde halluziniert, der Kopf schlug in Gedanken hart auf den Asphalt auf. Am Straßenrand stehend war alles schwarz und dunkel. Die Betreuer entschieden, dass der erste lange Powernap mit fünf Minuten Länge unumgänglich sei. Wieder aufgewacht fehlte jegliche Orientierung, die Betreuer wurden nicht mehr wiedererkannt und die Aufgabe für das Gehirn lag nun scheinbar darin, Schilder am Straßenrand aufzustellen, Parkbänke zu prüfen und Mülleimer zu leeren, die gar nicht da waren. Ein kurzer Moment Klarheit gab die Info an die Betreuer weiter, im Zwei-Minuten-Takt daran zu erinnern, dass es mit dem Fahrrad nach Garmisch-Patenkirchen geht. Das Rad rollte, jedoch in Gedanken irgendwo auf einem Radweg an der Ostseeküste.

Es waren noch 48 Kilometer bis zum Ziel und plötzlich war der Kopf wieder in dieselbe Realität zurückgekehrt, in welcher sich der Körper seit fast zwei Tagen fortbewegte. Das Rennen lief gut, es regnete, aber war nicht kalt, das Team wurde wiedererkannt und es konnte voll fokussiert Richtung Ziel gehen. Das Team feierte, als hätte es 100 Millionen im Lotto gewonnen. Das Knie schmerzte immer noch und die Kräfte waren aufgebraucht, aber Garmisch-Patenkirchen war erreicht. Artjom befahl wie ein Feldherr, dass das Ortsschild nicht das Ziel sei und vom Gebrüll aus dem Teamfahrzeug angetrieben ging es noch auf dem Rad bis zur Olympiaschanze in Garmisch-Patenkirchen weiter.

Dort feierten einige Leute schon einen fünften Gesamtplatz, die Gesamtzeit von 49:38 Stunden und ein saucooles Team. 1110 Kilometer. Eiter, Blut und Schweiß wurden im wahrsten Sinne des Wortes unter Dusche abgewaschen, im Anschluss Burger verspeist und gelacht, als gäbe es nichts schöneres auf der Welt. Das Race across Germany war und ist ein voller Erfolg. Von 30 Startern mussten 16 das Rennen beenden, als einer der jüngsten ist Platz fünf eine top Platzierung und als Vorbereitung auf ein wirklich großes Projekt im Sommer 2017 geht es positiv weiter!